„Der Geschichte des Anderen zuhören!“

von Sebastian Bungard

Der Krieg in Israel und Palästina ist auch für Schulen eine Herausforderung. Der Terrorangriff der Hamas und die Reaktion Israels darauf sind Diskussionsthemen auf Schulhöfen. Daher muss dieser Konflikt auch in der Klasse besprochen und möglichst neutral und fundiert eingeordnet werden. Aus diesem Grund wurde am vergangenen Montag eine Gesprächsrunde für Schülerinnen und Schüler der IGS Neuwied durchgeführt, um die historischen und aktuellen Entwicklungen im Nahost- Konflikt einzuordnen. Herr Lutz hatte dazu Pfarrer Werner Zupp, der seit zehn Jahren Vorsitzender des deutsch- israelischen Freundschaftsvereins in Neuwied ist, Josef Freise, einen ausgewiesenen Palästina- Experten und emeritierten Professor an der katholischen Hochschule Köln sowie einen Piloten, der ehemaliger Schüler der IGS Neuwied ist, eingeladen den Schülerinnen und Schülern einen Einblick in die gegenwärtige Situation im heiligen Land zu geben. Sinah Hammes aus der Jahrgangsstufe 13 führte souverän durch die Fragerunde, deren Ziel es war, dass die Schülerinnen und Schüler der 9-13 Klassen offener werden, dass sie sich Perspektiven anhören, die ihnen vielleicht auch nicht gefallen und dass sie dann lernen aus der Vergangenheit und Aktualität Konsequenzen für ihr eigenes Handeln heute zu ziehen.
Professor Freise und Pfarrer Zupp beschrieben die historischen Hintergründe und sorgten auch für Einblicke in das Alltagsleben in Israel. Der Pilot gab nicht nur spannende Einblicke in sein Berufsleben, sondern schilderte hautnah wie es sich anfühlt auf einmal in eine Kriegsregion zu reisen, um deutsche Zivilisten mit ihren Familien auszufliegen, auch den Sarg einer 22-jährigen Urlauberin aus Deutschland, die von der Hamas ermordet wurde. Dabei, und das betonte Pfarrer Zupp ausdrücklich, ist Israel eines der schönsten Länder der Welt, wenn Frieden ist.
Wichtig bei allem ist es beide Seiten zu sehen. Auf der einen Seite ist das Existenzrecht und ein sicheres Leben Israels und aller Juden in Israel, in Deutschland und überall auf der Welt deutsche Staatsräson und muss immer gewährleistet sein. Es muss aber auch Kritik an der Politik Israels, gerade der letzten zehn Jahre unter Präsident Netanjahu erlaubt sein, weil sich die Lage der Palästinenser, z.B. durch israelische Siedler im Westjordanland, sehr verschlechtert hat und dadurch wahrscheinlich alle Lösungsmöglichkeiten des Konflikts, wie eine Zwei- Staaten- Lösung verspielt sind. Auf der anderen Seite müssen aber auch die nicht zu tolerierenden Terrorakte der Hamas vom 7. Oktober klar verurteilt werden. Der Wunsch nach einem Dialog ist leider momentan unmöglich, da beide Seiten nicht zu Gesprächen bereit sind und statt sich in Freundschaft und Frieden zu begegnen, wird gerade nur neuer Hass über Generationen hinweg gesät, denn was in den Köpfen der Menschen ist, kann man nicht umbringen! Die Frage der Schuld, so das Fazit der Veranstaltung, kann daher auch nicht einfach beantwortet werden, denn die Hamas nutzt die Einwohner Gazas als lebendige Geiseln, während Israel zivile Opfer in Kauf nimmt, um die Hamas- Kämpfer auszuschalten. Ein grausamer Kreislauf, ohne Aussicht auf dauerhaften Erfolg, denn die Hamas wird militärisch nicht zu besiegen sein. Es bleibt nur die Hoffnung, dass irgendwann gemäßigte Kräfte auf beiden Seiten oder der Druck des Auslandes, z.B. der USA, einen neuen Anlauf zu Frieden und Aussöhnung möglich machen und man dann der Geschichte des Anderen wieder zuhört.

Fotos: Jessica Cramer